Gelungene Lesung und Performance im Schlosspark Senden
24.06.2020 | Wie könnte das Münsterland in der nahen Zukunft aussehen? Ist Heimat eine sehnsuchtsvolle Erinnerung oder etwas, das sich in stetigem Wandel befindet? Und wie gehen wir Menschen jetzt und künftig mit der Natur um? Diese und weitere spannende Fragen warf die gut besuchte Lesung von Charlotte Krafft am vergangenen Sonntag am Schloss Senden auf. Die Schriftstellerin entführte ihr Publikum inmitten der grünen Kulisse des Schlossparks in eine spekulative und doch gar nicht mal so unwahrscheinliche Zukunft.
Der Ort für die Lesung hätte nicht besser gewählt werden können: Im Schatten der alten Buchen, das Schloss im Rücken und den Blick auf den vom Künstlerduo Scheibe & Güntzel angelegten Kunst-Gemüsegarten gerichtet, lauschten die Zuhörer gebannt den Ausführungen von Charlotte Krafft. Die Berliner Autorin reist im Rahmen des Literatur-Projekts stadt.land.text NRW seit März als Regionsschreiberin durch das Münsterland. Ihre Reiseeindrücke verbindet sie mit Science-Fiction-Elementen zu einer innovativen Zukunftsvision, die bei ihren Zuhörern gut ankam.
So nahm sie ihr Publikum mit ins Jahr 2036, wo das inzwischen fertig sanierte Schloss Senden seine Besucher mit technisch aufwändigen Virtual Reality-Führungen empfängt. Den Wildpark Dülmen bevölkern derweil Kolonien von „Leuchtkaninchen“, die sich den veränderten Klimabedingungen angepasst haben. Ihre originellen Einfälle verband Krafft mit klugen Reflexionen über Heimat- und Geschichtskonstruktionen sowie über das Verhältnis von menschlicher Kultur und – scheinbar – unberührter Natur.
Dass die von Krafft aufgeworfenen Gedanken aktuell und relevant sind, verdeutlichten die zahlreichen Wortbeiträge aus dem Publikum in der sich anschließenden Diskussion. „Wenn ich hier im Park sitze und das historische Gartenhaus anblicke, fühle ich meine Heimat“, so eine Zuhörerin, „gerade auch, weil ich weiß, dass sie sich stetig verändert.“ Das lebhafte Gespräch wurde von Professorin Rita Morrien, Literaturwissenschaftlerin an der Universität Paderborn, einfühlsam moderiert, die bereits zuvor eine aufschlussreiche Einführung gegeben hatte.
Die ebenfalls diskutierte Frage, wie der Mensch Einfluss auf die Natur nimmt, schlug schließlich den Bogen zum Kunst-Projekt „PRESERVED // Altland – Neuland“, das den Rahmen für die Lesung im Freien bildete. Performance-Künstler Jan Philip Scheibe hatte schon seit den Morgenstunden seinen Platz im Kunst-Gemüsegarten eingenommen, um am längsten Tag des Jahres die Kraft der Sonne einzufangen. Ein großes Solar-Panel speiste seinen Laptop, mit dem er bis in den späten Abend hinein Daten und Fakten zur Sonne und ihren Einfluss auf die Erde recherchierte, die er simultan über ein leuchtendes Schriftband laufen ließ.
Im Laufe des Jahres werden Scheibe & Güntzel weitere Performances und Aktionen am Schloss abhalten. Unter anderem können sich Interessierte auf einen „Artist Talk“ mit dem Künstlerduo freuen. Der Kunst-Gemüsegarten am Schloss ist derweil für alle Besucherinnen und Besucher geöffnet.